Offener
Brief über das Problem der Westsahara
anlässlich der 3. Konferenz TICAD (Tokyo International
Conference on African Development)
An Herrn Ministerpräsident Junichiro Koizumi
Frau Außenministerin Junko Kawaguchi
Im Oktober 2003 findet in Tokio die 3. Konferenz TICAD (Tokyo International Conference on African Development) statt. Das ist eine der wichtigsten Konferenzen der Welt für die Entwicklung Afrikas, in der die japanische Regierung als Mitveranstalterin bisher eine wichtige Rolle gespielt hat. Sie wird auch in der kommenden Konferenz ihre aussenpolitische Einstellung zu Afrika deutlich machen.
Hier müssen wir darauf hinweisen, dass zu den früheren Konferenzen TICAD 1993 und 1998 Marokko ganz normal eingeladen wurde, obwohl das Land die Westsahara besetzt hält. Die illegale Okkupation wurde völlig ignoriert. Die Westsahara und ihre Probleme schienen nicht zu existieren. Wir können es nicht hinnehmen, dass sich dasselbe bei der TICAD III wiederholt. Es muss auch ein Vertreter der Westsahara offiziell eingeladen werden, weil diese von der UNO als ein nichtautonomes Territorium anerkannt ist, welches außer der marokkanischen Souveränitätsgebiet liegt. Wenn die Westsahara nicht berücksichtigt wird, sollte auch Marokko nicht dabei sein.
Die japanische Regierung hat bisher sowohl in ihrem Blaubuch der Außenpolitik als auch an Konferenzen wie TICAD oder an Symposien über Konflikte in Afrika wiederholt ihre Bereitschaft betont, zur Lösung oder Vorbeugung der Konflikte in Afrika beizutragen. Trotz vieler Debatten im Inland hat sie ihre Selbstverteidigungsstreitkräfte oder Delegationen zur Aufsicht bei Wahlen geschickt, z.B. nach dem ehemaligen Zaïre oder nach Moçambique.
Ganz anders ist ihre Haltung zur MINURSO (United Nations Mission for the Referendum in Western Sahara), die 1991 für die Durchführung des Referendums über die Westsahara ins Leben gerufen worden ist. Zu dieser Organisation hat Japan bisher niemanden geschickt. Das bedeutet, dass die japanische Regierung für eine gerechte Lösung des Westsahara-Konfliktes weder konstruktive Meinungen geäußert noch sonst etwas unternommen hat. Sie ist nicht nur bei der Beratung der UNO, sondern auch bei der Informationsverbreitung in Japan total untätig geblieben. Außerdem kommt der Name Westsahara in der Homepage des Aussenministeriums mit der Aufgabenliste der Abteilungen für Nahost und Afrika überhaupt nicht vor. Das bedeutet wohl, dass die japanische Regierung der rechtswidrigen Okkupation der Westsahara nachträglich zugestimmt hat.
Wenn trotz dieser Umstände nur eine Partei des Konfliktes, nämlich Marokko, zu einer so wichtigen Konferenz wie TICAD eingeladen wird, bedeutet dies, dass man die Neutralität als unentbehrliche Voraussetzung eines Beitrags zur Konfliktlösung nicht beachtet und einseitig Marokko unterstützt.
In dieser Hinsicht stellen wir Ihnen folgende Fragen. Wir betrachten diese als grundlegende Fragen nach der Einstellung der japanischen Regierung nicht nur zum Problem der Westsahara, sondern auch zu den allgemeinen außenpolitischen Richtlinien für Afrika. Wir möchten, dass Sie uns bis 30. Mai 2003 Ihre ehrlichen Antworten zukommen lassen.
Wir haben die folgenden Fragen an Personen und Organisationen, die die Westsahara unterstützen, weitergegeben und im In- und Ausland publik gemacht. Wir werden auch Ihre Antworten veröffentlichen. Wenn Sie keine Antworten geben, dann werden wir auch diese Tatsache publizieren.
1) Die Exilregierung der Westsahara (offiziell die Demokratische Arabische Republik Sahara, Abk. DARS) war seit 1982 Vollmitglied der OAU, hat seit 1984 an deren Konferenzen und Beratungen auf verschiedenen Ebenen teilgenommen und hat dieselbe Stellung als Vollmitglied auch bei der AU, die im Juli 2002 offiziell gegründet worden ist, inne. Die Zusammenarbeit mit der AU muss für die Veranstaltung der TICAD unentbehrlich sein. Trotzdem ist die DARS nicht eingeladen worden. Was ist der Grund dafür? Ist diese Einstellung nicht allzu weit von derjenigen der AU entfernt?
Außerdem betrachten wir die Tatsache, dass die japanische Regierung bisher keine diplomatischen Beziehungen zur DARS pflegt, oder dass die DARS noch kein UNO-Mitglied ist, nicht als Grund dafür, sie nicht zur Konferenz einladen zu können, gibt es doch sehr viele Fälle, wo die japanische Delegation bei internationalen Konferenzen, besonders wenn sie Wirtsdchaftliches betreffen, mit den Delegationen aus Nordkorea und Taiwan zusammen sitzt.
2) Die UNO hat Marokkos Territorialanspruch nie anerkannt, betrachtet die Westsahara als ein nichtautonomes Territorium und bemüht sich bisher darum, das Problem durch das Selbstbestimmungsrecht mittels Referendum zu lösen. Marokko hat sich einer Abstimmung aber immer wieder durch willkürliche Richtlinien entzogen, zum Beispiel betreffend der Identifikation der Stimmberechtigten. Auch wurde der neue Friedensplan nach dem Abkommen von Houston ignoriert und das Schürfrecht einseitig einigen Ölkonzernen erteilt. All dies widerspricht den Absichten der UNO. Am 29. Januar 2002 hat der stellvertretende Generalsekretär der juristischen Angelegenheiten der UNO in seinem Report es als illegal verurteilt, einen Schürfrecht-Vertrag mit Marokko im Gebiet der Westsahara abzuschliessen. Die widerrechtliche Okkupation der Westsahara durch Marokko und die illegalen Tätigkeiten in der Westsahara bedrohen nicht nur die Westsahara, sondern auch Frieden und Sicherheit als Fundamente der weiteren Entwicklung Afrikas. Warum lädt die japanische Regierung trotz dieser Tatsache Marokko (kein Mitglied der AU) zur TICAD ein? Ist die japanische Regierung der Ansicht, dass Marokko die Interessen der legitimen Bewohner der Westsahara richtig vertritt?
Japan-Sahara
Gesellschaft
Western Sahara Campaign Tokyo
Noriko AOYAGI (Übersetzerin)
Midori IIJIMA (außerord. Professorin der Rikkyo
Universität)
Hideaki UEMURA (außerord. Professor der Keisen
Universität)
Satoshi UKAI (Professor der Hitotsubashi Universität)
Kenji OOKI (Japan-Osttimor Gesellschaft, Shimonoseki)
Naohiko OOKUMA
Kazuo OOTA (Direktor der Gesellschaft der Friedensforschung
Japan)
Mari OKA (außerord. Professorin der Kyoto Universität)
Tomonari KASUGA
Toshio KADOKURA (Dozent der christlichen Universität
Ibaragi)
Naoko KAWAKAMI (Gesellschaft der Yoseba-Forschung Japan)
Ichiro KAWABE (Außerord. Professor der Aichi
Universität)
Yoko KITAZAWA (Vorsitzende der Gesellschaft der Friedensforschung
Japan)
Akira KUSUHARA (Professor der Kokugakuin Universität)
Keiko SAIGA (Dozentin der Wirtschaftsuniversität Osaka)
Masaaki SATAKE (Professor der Shikokugakuin Universität)
Keiko Shingo (Übersetzerin)
Yukitoshi SUNANO (Professor der Kumamoto Universität)
Toshiyuki TAKABAYASHI (außerord. Professor der Shikokugakuin
Universität)
Shinichi TAKEUCHI
Junko TAKEUCHI (außerord. Professorin der Hochschule der
Fremdsprachen Kobe)
Misato TODA (Professor der Bunkyo Universität)
Chizuko TOMINAGA (Professorin der Frauenuniversität
Miyagigakuin)
Yasuko NUKATA (Frauenuniversität Osaka)
Tamio NOMURA (Amnesty International Japan)
Kiiko HIROMITSU (Dozentin der Shimane Universität)
Kiyoko FURUSAWA (außerord. Professorin der Keisen
Frauenuniversität)
Nobuko MURAKAMI (Übersetzerin)
Yoshihiko MURATA (CHT Comitee Japan)
Jun MORIKAWA (Professor der Rakuno Universität)
Takao YAMA
Antwort vom japanischen Außenministerium
An die Japan-Sahara-Gesellschaft, Kagawa
am 4. Juni 2003
Sehr geehrter Herr Toshiyuki Takabayashi!
Hier sende ich Ihnen eine Antwort auf Ihren offenen Brief vom 12. Mai 2003 wie folgt.
Wir haben verschiedene Bemühungen gemacht, um Frieden in Afrika zu etablieren. Sowohl durch den Prozess der TICAD-Konferenzen als auch den Prozess der G8-Summit-Meetings haben wir in Zusammenarbeit mit der internationalen Gemeinschaft Maßnahmen getroffen, um Konflikte zu lösen und Frieden zu etablieren. Auch in Zukuft werden wir mit den anderen Hauptländern zusammen an der Lösung solcher Konflikte arbeiten.
Für die Westsahara, worauf in Ihrem Brief hingewiesen wird, gab es unter der Initiative der UNO viele ernste Bemühungen. Am 19. Februar des letzten Jahres hat der Generalsekretär der UNO vier mögliche Alternativen vorgeschlagen. Aber bei den darauffolgenden Sitzungen des Sicherheitsrates ist kein klares Einverständnis erreicht worden, wie Sie gut wissen. Wir hoffen immer, dass das Problem der Westsahara durch Verhandlungen der betreffenden Parteien schnell und friedlich gelöst wird. Deshalb unterstützen wir die Vermittlungen des Generalsekretärs.
Was die Einladung der Westsahara betrifft, müssen wir Sie darauf aufmerksam machen, dass das Problem trotz der Maßnahmen unter der Initiative der UNO noch nicht gelöst ist. Außerdem müssen wir berücksichtigen, dass unser Land die Demokratische Arabische Republik Sahara noch nicht anerkannt hat. Die TICAD III ist eine offizielle internationale Konferenz, die unter der Initiative der japanischen Regierung abgehalten wird. Und diese ist eine der Sponsoren. Wenn man unter diesen Umständen die Westsahara einlädt, würde es bedeuten, dass wir Meinungsunterschiede in der internationalen Gemeinschaft ignorieren. Von diesem Standpunkt haben wir nicht die Absicht, die Westsahara einzuladen. Andererseits ist Marokko eines der etablierten Länder für die Entwicklung Afrikas. Aus diesem Grund haben wir Marroko eingeladen.
Auf alle Fälle hoffen wir, dass das Problem unter der Initiative der UNO schnell gelöst wird, und wir werden weiter solche Bemühungen unterstützen.
Hochachtungsvoll,
Toshitsugu
Uezawa
Leiter der zweiten Abteilung für den Nahen Osten und Afrika,
Außenministerium, Japan